Es ist bereits eine Binsenweisheit, dass erfolgreiche Investoren zuerst aufs Team schauen, bevor sie sich ernsthaft mit einer Investition in eine Geschäftsidee beschäftigen.
Daher sollen im Folgenden ein paar Gedanken zum Teambuilding verloren werden.
Bei vielen Startups zählt nur eines: Umsetzung (Execution) einer Idee in minimaler Zeitspanne (time-to-market). Doch spätestens der Hauptgrund für ein Scheitern so vieler Startups sollte zu denken geben: Streit im Gründungsteam.
Ein solcher Streit kann mehrere Gründe haben:
- Fachliche Gründe: „Unterschiedliche Auffassungen über die zukünftige strategische Geschäftsentwicklung“ heißt es z.B. dann hinterher, wenn man sich nicht über die betrieblichen Prioritäten oder die Aufteilung der Funktionsbereiche einigen konnte;
- Menschliche Gründe: Die Chemie stimmte von Anfang an nicht oder die Charaktere waren einfach zu unterschiedlich/stolz/uneinsichtig, um zu einer gemeinsamen Linie zu finden;
- Monetäre Gründe: eine Fraktion möchte das verdiente/eingeworbene Geld weiterhin in Produkt und Expansion stecken, eine andere endlich den jungen Ruhm genießen oder mehr für die junge eigene Familie entnehmen dürfen;
- Gründe des Arbeitsinhalts: Anfangs müssen die Gründer alles allein machen, später beim Teamwachstum müssen sie delegieren und führen lernen – aber nicht jeder kann lieb gewonnene Arbeitsinhalte und „Herrschaftswissen“ so einfach abgeben und sich mehr um dispositive statt operative Aufgaben kümmern;
- Gründe des Arbeitsumfangs: Wenn die Leitungsspanne (die Anzahl der direkt an einen Vorgesetzten berichtenden Mitarbeiter) die Zahl 7 überschreitet, wird es nach herrschender organisationswissenschaftlicher Meinung bei wissensgesteuerten Tätigkeiten gefährlich – der Vorgesetzte verliert den Überblick, ist überfordert, seine Anweisungen werden unüberlegter, seine Leistungsqualität leidet;
- Gründe der Firmenkultur: Wenn das Startup in die starke Wachstumsphase gerät, kommen viele neue Mitarbeiter, Ideen und Arbeitserfahrungen in die Firma, die von der ursprünglichen Gründungskultur abweichen – das Gründungsteam kann entweder versuchen, seine bisher bewährte Kultur beizubehalten und Abweichler aussondern, oder es kann mit den neuen Erfahrungen wachsen und sich anpassen;
- Gründe der Mentalität: Operatives Verwalten statt Marktaufreißen ist nicht allen Gründern ins Stammbuch geschrieben, sie steigen aus und gründen als Mehrfachgründer (Serial Founder) ein neues Startup;
- Gründe der persönlichen Situation: Junge Singles sind abenteuerlustig und reisefreudiger als Familienväter. Die setzen eher auf Sicherheit, freuen sich über reisefreie Verwaltungsjobs und möglichst hohes Fixgehalt in der Gegenwart statt anwachsende Firmenanteile, die erst Jahre später materialisiert werden dürfen;
- Gründer der Unternehmenserfahrung: Erfahrene Manager aus hierarchisch organisierten Großunternehmen haben anfangs immer Schwierigkeiten, sich an agiles Arbeiten 4.0 zu gewöhnen, klare Regeln und Aufgabeninhalte durch Denken und Entscheiden unter höchster Unsicherheit zu tauschen, wo sich in flachen Hierarchien die stets neu zu priorisierenden Themen die passenden Projektmitglieder suchen und Vorgesetzte nur noch als Moderatoren, nicht mehr als alleinherrschende Letztentscheider fungieren.
Eingedenk dieser Gründe – kann ein Streit unter Gründern überhaupt vermieden werden?
Nein, aber er muss ja nicht mit zornigem Abgang des Gründers oder gar Auflösung des Unternehmens enden, wenn rechtzeitig mit erfahrenen Beratern Kontakt aufgenommen wird.
Das Kernteam
Ein Gründungsteam deckt idealerweise die Kernkompetenzen ab, die für die Erfüllung des Geschäftszwecks erforderlich sind.
- Der CEO als Gesicht und Repräsentant der Firma nach innen und außen kann anfangs noch tief in der operativen Tagesarbeit stecken, sollte aber stets bemüht sein, mit der Zeit mehr am als im Unternehmen zu arbeiten.
- Besonders bei IT-getriebenen Geschäftsmodellen sollte stets ein waschechter (möglichst erfahrener, hilfsweise genialer) CTO mit an Bord sein.
- Ein COO/CFO mit kaufmännischen Kompetenzen wäre auch von Vorteil.
- Besonders bei B2C-Geschäftsmodellen sollte aber auch ein CMO/CSO oder CBDO (die Mischung aus Marketing und Sales: der Chief Business Development Officer) nicht fehlen.
Schon hätten wir unser Rumpfteam zur Führung des jungen Unternehmens zusammen, das im Laufe der Expansion durch Mitarbeiter ergänzt wird.
Gesellschaftsvertrag
Um teuren kapazitätshemmenden Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen, ist es ratsam, einen wasserdichten Gesellschaftsvertrag zwischen den Gründern zu fixieren, der wirklich jede Eventualität solcher zukünftigen Streitigkeiten und auch den Tod einzelner Gesellschafter vorwegnimmt und Engagement ehrlich belohnt, aber Abgänger und Erben fair behandelt, ohne die junge Firma auszubluten (z. B. durch Vesting, d.h. dass Anteilseigner ihre Anteile erst nach einer bestimmten Zeit – z.B. 3 Jahre – des tatkräftigen Arbeitens in dem Startup erst wieder veräußern dürfen, bei vorzeitigem Ausscheiden aber nur pro rata temporis – nach abgelaufener Zeit – vergütet werden).
Der menschliche Faktor
Sehr wichtig für ein Gründerteam ist auch dessen Krisenfestigkeit, sprich Durchhaltewillen auch bei rauer See, was nicht mit Beratungsresistenz bei aussichtsloser Prognose verwechselt werden darf. Daher ist es entweder von Vorteil, seine besten und langjährigen Freunde/Verwandten mit ins Gründungsteam zu nehmen, weil man die gut einschätzen kann. Andererseits zeigt sich unter extremem Druck oft erst der wahre Charakter. Es gibt genug Beispiele von Startups, wo sich das Kernteam erst bei oder nach der Gründung gefunden hat, aber dieselbe Vision teilte bzw. dasselbe Mindset hatte und daher auch ohne gemeinsame Sandkastenerlebnisse erfolgreich war.
Wichtig ist es daher, dass zum Kernteam oder seinem nächsten Umfeld auch immer ein Vermittler gehört, der neben seiner sonstigen Expertise auch eine schlichtend-moderierende Rolle bei fachlichen oder menschlichen Konflikten einnehmen kann.
Schlussappell
Was wir auf jeden Fall brauchen, sind mehr mutige Gründer, die trotz aller bürokratischen und mentalen Hemmnisse mit kalkuliertem Risiko in einer noch fehlertoleranteren Umwelt als heute ihre Visionen Wirklichkeit werden lassen und dabei die Welt ein Stück besser machen.